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| Programm | Kurzer Bericht Internationale Jahrestagung in München 2010"Meister Eckhart im Original" Fakten, Bilder und Legenden nach 750 Jahren
© der Fotos: Michael Zachmeier, Katholische Akademie Bayern
MEG Jahrestagung zur Erinnerung an das 750. Geburtsjahr Meister Eckharts in der Katholischen Akademie in Bayern (s. Archiv). Zeit: Freitag, 12. März bis Sonntag, 14. März
Meister Eckhart, einer der bedeutendsten Vertreter der christlichen Mystik des Mittelalters, wäre vermutlich ziemlich erstaunt. Schon interessant, wer sich da alles auf ihn beruft: Skeptiker und Kulturkritiker, Weltverbesserer und religiöse Erneuerer, aber auch Dichter und Politiker. Über Jahrhunderte verehrt, wurde er nicht selten auch benutzt, wie es Orte bund Zeiten erforderlich zu machen schienen. So treibt das Eckhartbild bis in die Gegenwart hinein mitunter bunte Blüten. Der - allerdings nicht genau festzulegende - 750. Geburtstag lädt ein, sich dem Meister möglichst weit anzunähern, um die zahlreichen Forschungslegenden und Mythen zu sichten und von einem wissenschaftlich zu sichernden Bild abzuheben. Auch wenn das "Original" vielleicht nie erreichbar sein wird, kann trotzdem nur so die bleibende Nachfrage und spirituelle Unruhe, die Eckhart bis heute auslöst, auf eine fundierte Basis gestellt werden. Die gemeinsam mit der Katholischen Akademie in Bayern durchgeführte Jahrestagung der Meister-Eckhart-Gesellschaft weiß sich diesem Ziel verpflichtet. Namhafte Referenten aus dem deutschsprachigen wie dem weiteren internationalen Bereich werden einem an Eckhart interessierten, breiten Publikum grundlegende Erkenntnisse vorstellen können. Dass dazu auch Musik aus dem Umkreis Meister Eckharts erklingen wird, ist sicher mehr als nur ein Element der Abwechslung. Für die Meister-Eckhart-Gesellschaft Prof. Dr. Dietmar Mieth, Präsident, und Prof. Dr. Freimut Löser, Vizepräsident. Für die Katholische Akademie in Bayern Dr. Florian Schuller, Akademiedirektor. Vorprogramm
Die wissenschaftliche Tagung der Meister Eckhart Gesellschaft in Verbindung mit der Katholischen Akademie in Bayern fand großes internationales Interesse (Wissenschaftler/innen aus Großbritannien, Niederlande, Tschechien, Italien und Japan waren u. a. vertreten) und auch eine breite öffentliche Resonanz beim nicht-wissenschaftlichen Publikum. Die Verbindungen der deutschen Meister Eckhart Gesellschaft zur britisch-amerikanischen „The Eckhart Society“ wurden verstärkt: Unter anderem sind ein gemeinsames Periodikum und die Abstimmung editorischer Programme anvisiert. Der große Mediävisten Kongress in Leeds (12-15. Juli 2010) wird mit einem herausgehobene Eckhart-Schwerpunkt diese Zusammenarbeit vorstellen. Charakteristisch für die Tagung war die interdisziplinäre Verknüpfung von Forschungsergebnissen auf hohem wissenschaftlichen Niveau von Handschriftenspezialisten, Editoren der Eckhart-Werke, Literar- und Philosophie- und Theologiehistorikern, aktuellen Systematikern und sogar einem Psychoanalytiker einerseits und die akademische Vermittlung an eine breite Öffentlichkeit andererseits miteinander erfolgreich zu verbinden. Es war nur sehr gelegentlich der Fall, dass Vermittlungsschwierigkeiten auftauchten. Unter den 12 Vorträgen, denen jeweils bei der dicht anwesenden Kompetenz auch reger wissenschaftlicher Austausch in konstruktiver Atmosphäre folgte, gab es neue handschriftliche Erkenntnisse, die schon in einem Vorprogramm der Bayerischen Staatbibliothek mit Professor Freimut Löser, Augsburg, eindrücklich dargestellt wurden. Im Übergang von der erst in fünf Jahren abgeschlossen wissenschaftlichen Ausgabe, über die die Herausgeber Loris Sturlese (Lecce, abgeschlossene Ausgabe der Lateinischen Werke) und Georg Steer berichteten, ist das Bedürfnis deutlich, die Handschriften digital verfügbar zu machen, eine Predigtausgabe nach dem Kirchenjahr zu versuchen und die Regionalsprachen zu berücksichtigen. Darauf machte insbesondere Professor Löser in seinem zusätzlichen Tagungsbeitrag aufmerksam. Prof. Markus Vincent, The Eckhart Society, Kings College, berichtet über einen ersten Band einer Neu-Edition im englischsprachigen Raum anhand von Eckharts Vaterunser-Kommentar. Er zeigte auf, wie Eckhart in Zitatmontagen durch Weglassen und Selektieren Originalität erzeugen kann. Prof. Geert Warnar, Leiden NL, der mit Sturlese an einem großen EU-Projekt für mittelalterliche Text-Schulung arbeitet (beteiligt außerdem die Universitäten Antwerpen, Oxford und Freiburg i. Br.), stellte einen niederländischen Traktat vor, der die Instrumentalisierung Eckharts nach seinem Tod aufzeigt. Prof. Burkhard Hasebrink, Freiburg, und Prof. Susanne Köbele, Erlangen, zeigten erfrischend neue Interpretationsmuster auf: Hasebrink zu der Verbindung von Eckharts „Abgeschiedenheit“ mit einer „ortlosen“ Urbanität anhand der Theorie vom impliziten Adressaten, Köbele insbesondere zum Übergang von (damals professioneller) Metaphysik zur Metapher. Die Theologen betonten Kontexte Eckharts in Orden und Beginenbewegung und Fragen der Selbsttranszendenz und religiösen Individualisierung. Der Dominikaner Prof. Walter Senner, Rom, stellte Eckhart in den Kontext dominikanischer Ausbildung; Dr. Irmgard Kampmann, Bochum, arbeitete mehr noch als andere Referate, Eckharts Verbindung zur Beginenbewegung und zu Marguerite Porete heraus. Dr. Gotthard Fuchs dokumentierte die Eckhart-Rezeption in der Moderne mit vielen überraschenden Zitaten und stellte dabei „Selbsttranszendenz“ und „Glaubensimmanenz“ einander gegenüber, während Dietmar Mieth, der im Rahmen der Kolleg-Forschergruppe „Religiöse Individualisierung in historischer Perspektive“ am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt tätig ist, das Freiheitsmotiv Eckharts mit Blick auf Marguerite Poretes ähnliche Texte als zugleich gnadenhafte und sprechaktgebundene Offenbarkeit einer Korrelation zwischen göttlicher und menschlicher Freiheit herausstellte. Den Anfang machte der Psychoanalytiker Dr. Karl-Heinz Witte, München, Anreger der Meister Eckhart Gesellschaft 2004, mit einem Blick auf bei Eckhart begründete und therapeutisch sinnvolle Ich-Offenheit. Dieses Thema der Selbstentäußerung aus Selbstachtung tauchte in Variationen in mehreren Referaten auf. Die Meister Eckhart Gesellschaft, die nächstes Jahr in Erfurt tagen will (Arbeitstitel: „Meister Eckharts Reden für die Stadt“), nutzte die Gelegenheit, Projekte verschiedener Trägerschaft vorstellen zu lassen, die von Editionen bis zu neuen Interpretationsmethoden und Kontextanalysen reichen. Dies wird sich in den Tagungen in Zusammenarbeit mit dem Max-Weber-Kolleg in Paris mit der Sorbonne (28.-30. Mai 2010, Thema: „Rencontre à Paris, Marguerite, Dante, Lullus, Eckhart“) und in Mainz (10.-12. September 2011, Arbeitstitel: „Mystik, Recht und Freiheit – der Kontext der Inquisition“) fortsetzen. Prof. Markus Vinzent legte zum Schluss der Tagung Dokumente vor, nach denen die Bemühungen um eine kirchliche Rehabilitierung Meister Eckharts bereits 1992 zu einer über den Dominikaner General Timothy Radcliffe mitgeteilten positiven Äußerung der römischen Glaubenskongregation (Kardinal Ratzinger) führten: Eckhart sei nicht als Ketzer verurteilt, bedürfe daher keiner Rehabilitierung, stehe in einer orthodoxen Tradition und sei zum Studium empfohlen. Die Ergebnisse der Tagung werden auszugsweise in der Dokumentationszeitschrift der Katholischen Akademie in Bayern „zur debatte“ veröffentlicht werden, ferner im Jahrbuch der Meister Eckhart Gesellschaft (Kohlhammer Verlag). Prof. Dr. Dietmar Mieth, 15.3.2010 |