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| Kurzer Bericht

Internationale Jahrestagung in München 2010

"Meister Eckhart im Original"

Fakten, Bilder und Legenden nach 750 Jahren


Dietmar Mieth

Karl Heinz Witte

Markus Vinzent

Freimut Löser

Ensemble Cosmedin

Loris Sturlese im Gespräch

Walter Senner OP

Ingrid Kampmann

Yoshiki Koda

Burkhard Hasebrink

Rudolf Weigand und Geert Warnar

Susanne Köbele

Georg Steer

© der Fotos: Michael Zachmeier, Katholische Akademie Bayern

| Freitag, 12. März
| Tagung / Teil 1
| Abendvortrag
| Samstag, 13. März | Sonntag, 14. März

MEG Jahrestagung zur Erinnerung an das 750. Geburtsjahr Meister Eckharts in der Katholischen Akademie in Bayern (s. Archiv).

Zeit: Freitag, 12. März bis Sonntag, 14. März
Ort: Katholische Akademie in Bayern, Mandlstr. 23, 80802 München
(Postfach 401008, 80710 München, Tel. 089-381020, Fax 089-38102103)

Meister Eckhart, einer der bedeutendsten Vertreter der christlichen Mystik des Mittelalters, wäre vermutlich ziemlich erstaunt. Schon interessant, wer sich da alles auf ihn beruft: Skeptiker und Kulturkritiker, Weltverbesserer und religiöse Erneuerer, aber auch Dichter und Politiker. Über Jahrhunderte verehrt, wurde er nicht selten auch benutzt, wie es Orte bund Zeiten erforderlich zu machen schienen. So treibt das Eckhartbild bis in die Gegenwart hinein mitunter bunte Blüten.

Der - allerdings nicht genau festzulegende - 750. Geburtstag lädt ein, sich dem Meister möglichst weit anzunähern, um die zahlreichen Forschungslegenden und Mythen zu sichten und von einem wissenschaftlich zu sichernden Bild abzuheben. Auch wenn das "Original" vielleicht nie erreichbar sein wird, kann trotzdem nur so die bleibende Nachfrage und spirituelle Unruhe, die Eckhart bis heute auslöst, auf eine fundierte Basis gestellt werden.

Die gemeinsam mit der Katholischen Akademie in Bayern durchgeführte Jahrestagung der Meister-Eckhart-Gesellschaft weiß sich diesem Ziel verpflichtet. Namhafte Referenten aus dem deutschsprachigen wie dem weiteren internationalen Bereich werden einem an Eckhart interessierten, breiten Publikum grundlegende Erkenntnisse vorstellen können. Dass dazu auch Musik aus dem Umkreis Meister Eckharts erklingen wird, ist sicher mehr als nur ein Element der Abwechslung.

Für die Meister-Eckhart-Gesellschaft Prof. Dr. Dietmar Mieth, Präsident, und Prof. Dr. Freimut Löser, Vizepräsident.

Für die Katholische Akademie in Bayern Dr. Florian Schuller, Akademiedirektor. Vorprogramm

10.30 Treffpunkt im Eingangsbereich der Bayerischen Staatsbibliothek (Begrenzte Teilnehmerzahl!)

Eckhart-Handschriften im Original. Eine Einführung in die Welt der mittelalterlichen Eckhart-Überlieferung

Prof. Dr. Freimut Löser,
Professor für Deutsche Sprache und Literatur des Mittelalters an der Universität Augsburg

Dr. Bettina Wagner,
Leiterin des Handschriftenerschließungszentrums der Bayerischen Staatsbiblothek

14.00 Begrüßung

Prof. Dr. Dietmar Mieth,
Präsident der Meister-Eckhart-Gesellschaft,
Professor für Theologische Ethik unter besonderer Berücksichtigung der Gesellschaftwissenschaften an der Universität Tübingen

Dr. Florian Schuller,
Direktor der Katholischen Akademie in Bayern

14.15

Dr. Karl Heinz Witte,
Dozent am Alfred-Adler-Institut München,
Lehr- und Psychoanalytiker

Eckhart lesen und mit ihm leben

14.45 Diskussion
15.15 Pause
15.45

Prof. Dr. Markus Vinzent,
Professor an der School of Philosophy, Theology and Religion, University of Birmingham / Großbritannien

Eckhart über das Vaterunser

16.15 Diskussion
16.45 Pause
17.00 Prof. Dr. Freimut Löser

Eckhart im Original. Was will (und was kann) die Eckhart-Philologie heute?

17.30 Diskussion
18.00 Abendessen

19.00

Prof. Dr. Loris Sturlese,
Professor für Geschichte der Philosophie des Mittelalters an der Universität Lecce / Italien

Meister Eckhart und die Quellen

Musikalische Umrahmung:

Musik aus dem Umfeld Meister Eckharts (Erfurter Rituale von 1301) mit dem Ensemble Cosmedin, Stuttgart

20.00 Pause
20.30 Diskussion
8.30 Gesungene Laudes
9.00

Prof. Dr. Walter Senner OP,
Professor am Angelicum in Rom

Eckhart als Ordensmann

9.30 Diskussion
10.00 Pause
10.15

Dr. Irmgard Kampmann,
Katholische Theologin und Philosophin, Bochum

Eckhart und die Frauen

10.45 Diskussion
11.15 Pause
11.45

Prof. Dr. Burkhard Hasebrink,
Professor für Ältere deutsche Literatur und Sprache an der Universität Freiburg i. Br.

Anthropologie der Abgeschiedenheit. Urbane Ortlosigkeit bei Meister Eckhart

12.15 Diskussion
12.45 Mittagessen
14.30

Prof. Dr. Geert Warnar,
Professor für Philosophie an der Universität Leiden / Niederlande

"Eckhart und der Laie" als Lehrgespräch.
Ein Versuch zur Rehabilitierung des "Meisters"

15.00 Diskussion
15.30 Pause
15.45

Prof. Dr. Susanne Köbele,
Professorin für Germanistische Mediävistik an der Universität Erlangen-Nürnberg

Mystik und Metapher. Spielräume der Argumentation bei Eckhart

16.15 Diskussion
16.45 Pause
17.15

Prof. Dr. Georg Steer,
Projektleiter der Forschungsstelle für geistliche Literatur des Mittelalters an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt

Eckharts Predigt

17.45 Diskussion
18.15 Eucharistiefeier
19.30 Abendessen
20.15 Mitgliederversammlung (Tagesordnung s. Forum )

8.30 Gesungene Laudes
9.00 Rundgespräch über neuere Eckhart-Forschungen und -Initiativen des Jahres 2010
10.00 Pause
10.15 Prof. Dr. Dietmar Mieth

Das Freiheitsmotiv bei Meister Eckhart (s. PDF)

10.45 Diskussion
11.15 Pause
11.45

Dr. Gotthard Fuchs,
Leiter des Referats Kultur-Kirche-Wissenschaft der Diözese Limburg, Wiesbaden

Lebendiger Eckhart. Über Eckhart-Reprisen heute

12.15 Diskussion
13.00 Ende der Tagung

Die wissenschaftliche Tagung der Meister Eckhart Gesellschaft in Verbindung mit der Katholischen Akademie in Bayern fand großes internationales Interesse (Wissenschaftler/innen aus Großbritannien, Niederlande, Tschechien, Italien und Japan waren u. a. vertreten) und auch eine breite öffentliche Resonanz beim nicht-wissenschaftlichen Publikum.

Die Verbindungen der deutschen Meister Eckhart Gesellschaft zur britisch-amerikanischen „The Eckhart Society“ wurden verstärkt: Unter anderem sind ein gemeinsames Periodikum und die Abstimmung editorischer Programme anvisiert. Der große Mediävisten Kongress in Leeds (12-15. Juli 2010) wird mit einem herausgehobene Eckhart-Schwerpunkt diese Zusammenarbeit vorstellen.

Charakteristisch für die Tagung war die interdisziplinäre Verknüpfung von Forschungsergebnissen auf hohem wissenschaftlichen Niveau von Handschriftenspezialisten, Editoren der Eckhart-Werke, Literar- und Philosophie- und Theologiehistorikern, aktuellen Systematikern und sogar einem Psychoanalytiker einerseits und die akademische Vermittlung an eine breite Öffentlichkeit andererseits miteinander erfolgreich zu verbinden. Es war nur sehr gelegentlich der Fall, dass Vermittlungsschwierigkeiten auftauchten.

Unter den 12 Vorträgen, denen jeweils bei der dicht anwesenden Kompetenz auch reger wissenschaftlicher Austausch in konstruktiver Atmosphäre folgte, gab es neue handschriftliche Erkenntnisse, die schon in einem Vorprogramm der Bayerischen Staatbibliothek mit Professor Freimut Löser, Augsburg, eindrücklich dargestellt wurden. Im Übergang von der erst in fünf Jahren abgeschlossen wissenschaftlichen Ausgabe, über die die Herausgeber Loris Sturlese (Lecce, abgeschlossene Ausgabe der Lateinischen Werke) und Georg Steer berichteten, ist das Bedürfnis deutlich, die Handschriften digital verfügbar zu machen, eine Predigtausgabe nach dem Kirchenjahr zu versuchen und die Regionalsprachen zu berücksichtigen. Darauf machte insbesondere Professor Löser in seinem zusätzlichen Tagungsbeitrag aufmerksam. Prof. Markus Vincent, The Eckhart Society, Kings College, berichtet über einen ersten Band einer Neu-Edition im englischsprachigen Raum anhand von Eckharts Vaterunser-Kommentar. Er zeigte auf, wie Eckhart in Zitatmontagen durch Weglassen und Selektieren Originalität erzeugen kann. Prof. Geert Warnar, Leiden NL, der mit Sturlese an einem großen EU-Projekt für mittelalterliche Text-Schulung arbeitet (beteiligt außerdem die Universitäten Antwerpen, Oxford und Freiburg i. Br.), stellte einen niederländischen Traktat vor, der die Instrumentalisierung Eckharts nach seinem Tod aufzeigt. Prof. Burkhard Hasebrink, Freiburg, und Prof. Susanne Köbele, Erlangen, zeigten erfrischend neue Interpretationsmuster auf: Hasebrink zu der Verbindung von Eckharts „Abgeschiedenheit“ mit einer „ortlosen“ Urbanität anhand der Theorie vom impliziten Adressaten, Köbele insbesondere zum Übergang von (damals professioneller) Metaphysik zur Metapher. Die Theologen betonten Kontexte Eckharts in Orden und Beginenbewegung und Fragen der Selbsttranszendenz und religiösen Individualisierung. Der Dominikaner Prof. Walter Senner, Rom, stellte Eckhart in den Kontext dominikanischer Ausbildung; Dr. Irmgard Kampmann, Bochum, arbeitete mehr noch als andere Referate, Eckharts Verbindung zur Beginenbewegung und zu Marguerite Porete heraus. Dr. Gotthard Fuchs dokumentierte die Eckhart-Rezeption in der Moderne mit vielen überraschenden Zitaten und stellte dabei „Selbsttranszendenz“ und „Glaubensimmanenz“ einander gegenüber, während Dietmar Mieth, der im Rahmen der Kolleg-Forschergruppe „Religiöse Individualisierung in historischer Perspektive“ am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt tätig ist, das Freiheitsmotiv Eckharts mit Blick auf Marguerite Poretes ähnliche Texte als zugleich gnadenhafte und sprechaktgebundene Offenbarkeit einer Korrelation zwischen göttlicher und menschlicher Freiheit herausstellte. Den Anfang machte der Psychoanalytiker Dr. Karl-Heinz Witte, München, Anreger der Meister Eckhart Gesellschaft 2004, mit einem Blick auf bei Eckhart begründete und therapeutisch sinnvolle Ich-Offenheit. Dieses Thema der Selbstentäußerung aus Selbstachtung tauchte in Variationen in mehreren Referaten auf.

Die Meister Eckhart Gesellschaft, die nächstes Jahr in Erfurt tagen will (Arbeitstitel: „Meister Eckharts Reden für die Stadt“), nutzte die Gelegenheit, Projekte verschiedener Trägerschaft vorstellen zu lassen, die von Editionen bis zu neuen Interpretationsmethoden und Kontextanalysen reichen. Dies wird sich in den Tagungen in Zusammenarbeit mit dem Max-Weber-Kolleg in Paris mit der Sorbonne (28.-30. Mai 2010, Thema: „Rencontre à Paris, Marguerite, Dante, Lullus, Eckhart“) und in Mainz (10.-12. September 2011, Arbeitstitel: „Mystik, Recht und Freiheit – der Kontext der Inquisition“) fortsetzen.

Prof. Markus Vinzent legte zum Schluss der Tagung Dokumente vor, nach denen die Bemühungen um eine kirchliche Rehabilitierung Meister Eckharts bereits 1992 zu einer über den Dominikaner General Timothy Radcliffe mitgeteilten positiven Äußerung der römischen Glaubenskongregation (Kardinal Ratzinger) führten: Eckhart sei nicht als Ketzer verurteilt, bedürfe daher keiner Rehabilitierung, stehe in einer orthodoxen Tradition und sei zum Studium empfohlen.

Die Ergebnisse der Tagung werden auszugsweise in der Dokumentationszeitschrift der Katholischen Akademie in Bayern „zur debatte“ veröffentlicht werden, ferner im Jahrbuch der Meister Eckhart Gesellschaft (Kohlhammer Verlag).

Prof. Dr. Dietmar Mieth, 15.3.2010