Zeit: Freitag, 23. März bis Sonntag, 25. März
Ort: Katholische Akademie in Bayern, Kardinal Wendel Haus, Mandlstr. 23, 80802 München
(Postfach 401008, 80710 München, Tel. 089-381020, Fax 089-38102103) Anmeldung: s. PDF
(Religiöse) Individualisierung und Mystik: Eckhart, Seuse Tauler. Worum es geht:
„Individualisierung“ kann man als religiöse Bewegung unter drei Aspekten betrachten: 1. Die Loslösung von Bevormundungen und Vereinheitlichungen durch äußere Autoritäten und außengesteuerte internalisierte Erwartungen; dabei wächst die Betonung der eigenen religiösen Erfahrung bzw. der individuellen Beziehung zu Gott bzw. zum göttlichen Bereich. 2. Die fortschreitende Priorisierung des Individuellen, z. B. im Gewissen oder in der Konzentration auf „Innerlichkeit“; 3. die Normativierung der Individualität – sie wird sozial (oder auch religiös!) erwartet und zum Bestandteil der sozialen (auch kirchlichen) Institutionen und Reflexionen sowie zum internalisierten Anspruch an das eigene Selbst. Zwischen diesen Aspekten gibt es auch im Mittelalter Zusammenhänge und Spannungen. Die Forschung hat sich schon länger von dem Bild gelöst, das die Individualisierung für das Mittelalter nicht als einschlägig erachtete.
Individualisierung wird in der Profilierung von religiöser Erfahrung manifest, selbst wenn sich diese Erfahrung kritisch gegen Erfahrbarkeit im Sinne von „Erlebnis“ oder von einer frommen Leistungsgarantie wendet.
Keine religiöse Individualisierung im Mittelalter ist ohne Gegenbewegung oder ohne Vorgänge, gegen die sie sich bewegt. Solche Anti-Individualisierung liegt z. B. im Spätmittelalter vor: in der Verrechtlichung des Religiösen (Entwicklung der Kanonistik und der päpstlichen Jurisdiktionsgewalt) in einer kirchlichen und staatlichen Domestikation von Glaube und Gesinnung; im damit verbundenen theologischen Doktrinalismus (gemildert durch plurale Schulbildungen); im spätmittelalterlichen Fiskalismus und administrativen Durchgriff der päpstlichen und bischöflichen Verwaltungen; in der Frage, wie lokale kirchliche und städtische Autoritäten sich zu dieser Entwicklung verhalten, sie verzögern oder stimulieren.
Wenn auch das Thema „Religiöse Individualisierung“ sich auf die drei Dominikaner Eckhart, Seuse und Tauler bezieht, so stehen diese drei renommierten „Mystiker“ doch in einem Zusammenhang mit religiösen Bewegungen unter den Adressaten ihrer Schriften und Predigten. Inwieweit dienen die unterschiedlichen „Mystagogien“ der religiösen Individualität der Angesprochenen?
Man kann sich diesem Thema nicht widmen, ohne zwei aktuelle Fragen mit zu bedenken: Gemeinsamkeiten und Unterschiede der individuellen christlichen Akzentuierung damals und heute und die offensichtlich religionsübergreifende Suche nach individueller religiöser Erfahrung.
Vorprogramm
10.30
Treffpunkt im Eingangsbereich der Bayerischen Staatsbibliothek (Begrenzte Teilnehmerzahl!)
Eckhart – Tauler – Seuse. Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek im Original.
Prof. Dr. Freimut Löser, Professor für Deutsche Sprache und Literatur des Mittelalters an der Universität Augsburg
Dr. Elisabeth Wunderle, Bayerische Staatsbibliothek, Abteilung für Handschriften und alte Drucke
14.00
Begrüßung Prof. Dr. Dietmar Mieth, Professor für Theologische Ethik an der Universität Tübingen, Präsident der Meister-Eckhart-Gesellschaft, Kollegforschergruppe (s.o.)
Dr. Florian Schuller, Direktor der Katholischen Akademie in Bayern
Erträge der historischen Religionsforschung Prof. Dr. Jörg Rüpke, Fellow am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt
15.00
Pause
15.15
Individualisierung in der spätmittelalterlichen Philosophie und Theologie Prof. Dr. Martin Pickavé, Professor für mittelalterliche Philosophie an der Universität Toronto
Die Ambivalenz des Individuellen in Heinrich Seuses mystagogischer Spiritualität Prof. Dr. Markus Enders, Professor für Christliche Religionsphilosophie an der Universität Freiburg
10.00
Imbiss-Pause
10.30
Seuses Autobiographie und seine religiöse Erfahrung Dr. Silvia Bara Bancel, Professorin für Systematische Theologie an der Universität Madrid
Lehrer und Schuster. Taulers Weg zur Tugend Prof. Dr. Rudolf Weigand, Geschäftsführer der Forschungsstelle für geistliche Literatur des Mittelalters an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Einleitendes Statement
PD Dr. Christine Büchner, Dozentin für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Universität Tübingen
und Rundgespräch mit
Dr. Regina Schiewer, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstelle für geistliche Literatur des Mittelalters der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Prof. Dr. Walter Senner OP, Professor am Angelicum in Rom
Prof. Dr. Anne Vannier, Professorin für Katholische Theologie an der Universität Metz
Prof. Dr. Saskia Wendel, Professorin für Systematische Theologie an der Universität Köln
Moderation:
Dr. Gotthard Fuchs, Leiter des Referats Kultur-Kirche-Wissenschaft der Diözese Limburg, Wiesbaden
Schlusswort - Ende der Tagung
Prof. Dr. Dietmar Mieth
Literatur:
Heinrich Seuse Jahrbuch 4/2011 (Lit Verlag Münster), hg. v. Markus Enders: Das Gottesverständnis der Deutschen Mystik (Meister Eckhart, Johannes Tauler, Heinrich Seuse) und die Frage nach seiner Orthodoxie.
Christine Büchner, Die Transformation des Einheitsdenkens Meister Eckharts bei Heinrich Seuse und Johannes Tauler = Meister Eckhart Jahrbuch, Beihefte 1, Kohlhammer, Stuttgart 2007.
Bernhard Kirchgessner (Hg.), Christliche Spiritualität und Mystik, Begriffsklärungen, Eos Verlag, St. Ottilien 2011
Zusammengefasst aus dem Bericht des Präsidenten für die Mitgliederversammlung und dem Protokoll derselben:
1. Aus dem Bericht von Prof. Mieth:
Hinweis auf die vielen Veranstaltungen zum Eckhart-Jahr 2010.
Eine Übersicht über die Tagungen und Publikationen der Gesellschaft seit 2009.
Die synergetischen Effekte der Zusammenarbeit zwischen MEG und KFG (Kollegforschergruppe) "Religiöse Individualisierung in historischer Perspektive" am Max Weber Kolleg (MWK) in Erfurt.
Die internationale Beteiligung der MEG 1. an einem niederländisch-belgischen EU-Projekt (Professor Warnar, Leiden) zur Ausbildung an mittelalterlichen Texten und 2. der zukünftig gemeinsamen Herausgabe (von der MEG Hr. Löser und Hr. Sturlese) eines "Eckhart-Journals" mit der englischen Eckhart-Society, vertreten durch Markus Vinzent.
Hr. Löser und Hr. Mieth referierten in Leeds bei der Jahrestagung der Eckhart Society 2011.
Die Frage der "Geschäftsführung" bleibt angesichts der vielen Koordinations-Aufgaben, die bei Präsident und Vorstand anfallen, ein Desiderat.
Präsenz der MEG in Erfurt:
In Erfurt wurde am 19. Juli 2011 ein Universitäts-Arbeitskreis am MWK unter Beteiligung von Historikern (Erfurt und Jena, Leitung Smolinski, Mieth), Archivaren, Bibliothekaren zum Thema "Mittelalterliche Frauenmystik außerhalb der Klöster, insbesondere neuere Beginenforschung" begründet. Der Titel wird weiter erprobt. In Aachen findet eine Tagung über europäische Beginenforschung unter Leitung von Dr. Jörg Voigt, 2. - 4. Mai 2012 statt.
Die Stiftung der Erfurter Predigergemeinde bewegt sich langsam voran. Die Renovierung des Gemeindehaus aus dem 18. Jh. ist noch nicht abgeschlossen. Dort könnte die MEG 2013 ein Zimmer zu günstigen Konditionen mieten.
Für Erfurt wird eine Broschüre "Meister Eckhart in Erfurt" erstellt. Dabei wird das Tourismus-Büro behilflich sein und damit den Bildungstourismus ergänzen. Bisher gingen Besichtigungen nur über die Predigergemeinde.
Weitere Informationen:
Veranstaltungsbeispiele 2011: Eine "mystische Nacht" in Gießen, 26.8.2011 (Universiät Gießen und Ev. Studierendengemeinde), eine weitere in Hamburg (Dominikaner). In Passau und in Berlin (dort auch mit dem Eckhart-Übersetzer Vannini 2010) fanden 2011 Bildungs- bzw. Akademie-Tagungen zur Mystik statt. Im Lassalle-Haus bei Zug in der Schweiz wurde das Aufbaustudium "Mystik", begründet von der Universität Salzburg, weiter geführt.
Besondere Aufmerksamkeit fand eine Bibliotheksausstellung "Meister Eckhart in Augsburg" unter Leitung von Professor Löser (MEG Vizepräsident), im Frühjahr und Sommer 2011.
Professor Mieth hat in den letzten 4 Jahren etwa 20 Vorträge bei verschiedenen Institutionen gehalten. Daraus sind auch Veröffentlichungen hervorgegangen wie z.B. "Mystik heute", hg. von Lichtenberger, Moltmann, Neukirchen Vlyun 2011; Christliche Spiritualität und Mystik, Eos, St.Ottilien, hg. v. B. Kirchgessner 2011.
Das Thema "Ehrenkommittee" der MEG entwickelt sich weiter.
Zum Gedächtnis an das 650 Todesjahr von Johannes Tauler 2011 gab es eine Veranstaltung in Eichstätt (Rudolf Weigand); Veranstaltungen in Straßburg und eine Tauler-Tagung in Leiden. Hr. Mieth hielt ein Referat zu Tauler in einem Bildungswerk in Stuttgart (27. Oktober).
Menschenwürde im Mittelalter: Beiträge für das Cambridge Handbook of Human Dignity und für Europa in der Vormoderne (Beziehungen zwischen "Homo divinus" und Menschenwürde).
2. Aus dem Protokoll:
Der bisherige Vorstand wurde entlastet.
Zum neuen Vorstand wurden gewählt: Dietmar Mieth (Präsident), Freimut Löser (Vizepräsident), Rudolf Weigand (Schatzmeister) und Nigel Palmer. Da Georg Steer aus Altersgründen nicht noch einmal kandidierte, wurde Loris Sturlese vorgeschlagen und gewählt. Für den erweiterten Vorstand wurden gewählt: Christine Büchner und Markus Enders.
Für die weiteren Tagungen werden folgende Themen vorgeschlagen:
Eckhart im Dialog der Religionen
Bildprogramm Eckharts
Gottesverständnis/Gotteslehre Eckharts in bestimmten Texten
Es erfolgt eine Abstimmung durch Handheben für das nächste Jahr. Für das kommende Jahr erhält das Thema des Bildprogramms die Mehrheit, das Thema der Religionen wird für die Tagung in 2 Jahren anvisiert, und das Thema der Gotteslehre soll im Auge behalten werden.
Der Präsident stellt den Antrag, Georg Steer zum Ehrenmitglied der Gesellschaft zu ernennen. Die Annahme dieses Vorschlags erfolgt per Akklamation.
Hr. Steer beantwortet diese Ernennung mit einer Dankesrede zur Ehre Meister Eckharts.